Scrum vs Kanban – Was ist der Unterschied?

Agiles Arbeiten, die Anwendung agiler Workhacks, Tools wie Kanban und die agilen Frameworks Scrum, LeSS oder SAFe: Viele Unternehmen wünschen sich von der Einführung und Anwendung einer agilen Arbeitsweise eine höhere Produktivität, mehr Transparenz und Flexibilität. Doch wo fängt Agilität an, was muss ich tun und wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen Scrum vs Kanban? Diese und weitere Fragen beantworten wir in diesem Beitrag.

Agil ist ein Mindset, kein Tool

Jede agile Methode, jedes Framework basiert auf den agilen Werten und Prinzipien, welche bereits im Jahre 2001 im agilen Manifest veröffentlicht wurden. Denn agiles Arbeiten wird nur dann erfolgreich, wenn bestimmte Werte verinnerlicht werden. Im Wesentlichen unterscheiden vier Faktoren agiles sein von agilem tun, unabhängig von der Methode

  1. Eine transparente, respektvolle und fokussierte Zusammenarbeit im Team 
  2. Iteratives Entwickeln der Aufgaben und Projekte
  3. Häufiges Kunden- bzw. Nutzerfeedback
  4. Für den Kunden erzeugter Business-Mehrwert definiert den Erfolg des Teams

Unterschied zwischen Scrum und Kanban

Scrum vs Kanban – wann eignet sich was?

Die Frage ob Kanban oder Scrum besser geeignet ist, ist ungefähr vergleichbar mit der Frage, ob ein Messer oder eine Gabel besser ist. Die kurze Antwort: es kommt darauf an, was man vorhat. Zum Schneiden einer Zucchini hilft sicherlich das Messer, zum Essen eines Pasta Gerichtes die Gabel. Beides zusammen kann sich gut und sinnvoll ergänzen, nur kommt es auf das Gericht bzw. die zu lösende Aufgabe an.

Fälschlicherweise halten viele das für Agilität, was am schnellsten ins Auge fällt: Ein Board mit unterschiedlichen Spalten, beklebt mit vielen bunten Post-its, die den aktuellen Status von Aufgaben visualisieren. Dieses Kanbanboard ist zwar ein wesentlicher Bestandteil des agilen Arbeitens, um Transparenz zu erzeugen, doch dazu gehört noch so einiges mehr. Zuallererst sollte man sich die Frage beantworten, was man mit einer agilen Arbeitsweise erreichen möchte.

Das Ziel: Eine höhere Flexibilität oder bessere Planbarkeit?

Wie offen und transparent kommunizieren wir im Unternehmen? Wie viel Selbstorganisation und Cross-Funktionalität wollen und können wir zulassen? Wie hoch ist der Grad an Komplexität unserer Projekte und wie hoch ist der Anteil wiederkehrender, planbarer Arbeitsergebnisse? Brauche ich eine maximale Flexibilität oder eine stabile Planbarkeit? Die Antwort auf diese (und viele weitere) Fragen geben meist einen Hinweis darauf, welcher Prozess und welche agile Arbeitsweise sich am besten eignet. 

Was ist Kanban?

Kanban ist eine Methode, um den Fortschritt von Aufgaben, Prozessen und Projekten zu visualisieren und dessen Phasen aktiv zu steuern und kontinuierlich zu verbessern. 

Die Grundidee von Kanban wurde bereits im zweiten Weltkrieg bei der Flugzeugproduktion in Großbritannien eingesetzt, seinen Durchbruch feierte die Methode in den 50er Jahren bei Toyota. Als Teil des Lean Manufacturing wurde Kanban eingesetzt, um die Arbeitsprozesse in Produktionsstätten schlank und effizient zu gestalten. Heute kommt Kanban in vielen agilen Projekten zum Einsatz, um eine hohe Transparenz zu erzeugen und den Workflow zu optimieren.

In diesem Beitrag wollen wir uns auf den Einsatz von Kanban in agilen Projekten fokussieren:

4 Merkmale von Kanban im Überblick

  • Visualisierung von Arbeitsprozessen auf einem Kanbanboard 
  • Aktives Steuern und Kontrollieren des Workflows (durch explizite Regeln)
  • die Limitierung von parallel laufenden Aufgaben (Work in progress limits oder WiPs)
  • Kontinuierliche Verbesserung und kollaboratives Arbeiten

Kanban zielt im Wesentlichen auf die Optimierung des Workflows, d.h. einen reibungslosen, kontinuierlichen Prozessablauf ab. Durch das Setzen von „Work in progress limits“ wird eine Überladung der Wertschöpfungskette verhindert und Staus können rechtzeitig erkannt und durch das Team gelöst werden. 

Wo kann Kanban eingesetzt werden?

Kanban wird heute in unterschiedlichsten Bereichen und Branchen, vorrangig im Projektmanagement, der Softwareentwicklung aber auch der Selbstorganisation im Privaten, eingesetzt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Prioritäten sind immer sichtbar, die jeweiligen Prozessschritte sind klar und eindeutig beschrieben und bevor neue Aufgaben angenommen werden, müssen laufende erledigt sein.

Kanban in der Praxis

  1. Jedes Projekt bzw. der Arbeitsfortschritt wird auf einem Kanbanboard mit Hilfe von Karten, Post-its oder in digitalen in Tools wie z.B. Jira, Trello oder Microsoft Planner visualisiert. Die Anzahl und Bezeichnung der Phasen sind dabei individuell. Entscheidend ist, dass sich das Team über jeden Zustand und die Regeln der jeweiligenPhasen einig ist. Viele Teams beginnen klassisch mit „To-Do, Doing und Done“. 
  2. Ein großes Projekt wird in kleine Arbeitspakete heruntergebrochen. Jedes Arbeitspaket wird auf eine Karte bzw. Post-it geschrieben. 
  3. Die Arbeitspakete werden priorisiert, die wichtigste Aufgabe findet sich dabei immer ganz oben.
  4. Das Teammitglied zieht eine Aufgabe in den Workflow und somit in den Zustand „in Bearbeitung“ (Pull-Mechanismus). Von dort aus wird es je nach Fortschritt in die nächste Spalte verschoben
  5. Das „Work in Progress Limit“ begrenzt die Anzahl der parallel möglichen Aufgaben. Bevor neue gezogen werden, müssen die Spalten unterhalb des WiP Limits gelangen.

Kanban-Board

Welche Regeln hat Kanban?

Im Gegensatz zu Scrum ist Kanban deutlich adaptiver und „verschreibt“ weniger Regeln und verzichtet gänzlich auf fest definierte Rollen. Daher erfreut sich Kanban einer großen Beliebtheit, da die Schwelle gering ist es auszuprobieren – man kann quasi sofort loslegen. 

Dennoch hat auch Kanban ein paar Grundregeln die es zu beachten gilt, um wirklich effizienter und produktiver zu werden. Folgend ein paar Beispiele:

  1. Jede Aufgabe wird auf einem Ticket oder Post-it festgehalten. Dabei enthält das Ticket folgende, wichtige Informationen
    • Bezeichnung der Aufgabe (eventuell mit Beschreibung der Inhalte)
    • Ticket-Start: Wann soll es losgehen? Mit Datum, eventuell Uhrzeit
    • Ticket-Ende: Wann muss es fertig sein? Mit Datum, eventuell Uhrzeit
    • Ticket-Zusage: Welchen Termin haben wir zugesagt? Mit Datum und Uhrzeit
    • Avatar: Wer bearbeitet das? Am besten für jedes Teammitglied einen kleinen Magneten mit Konterfei erstellen
  2. Das Kanbanboard sollte für das ganze Team jederzeit sichtbar und aktuell sein. Z.B. in einem Tool auf das jeder Mitarbeiter Zugriff hat.
  3. Die Phasen (Spalten) des Boards müssen eindeutig benannt und für alle im Team klar definiert sein.
  4. Für jede Spalte wird ein Work in Progress Limit vergeben welches nicht überschritten werden sollte. 
  5. Der Workflow wird kontinuierlich beobachtet und angepasst, um schnell und effektiv auf Veränderungen reagieren zu können. Beispiel: Sind weniger Personen erreichbar, die eine Entwicklung testen und abnehmen können? Dann sollte das Wip-Limit für diese Spalte angepasst werden, um einen „Stau“ zu vermeiden. 

Die Vorteile von Kanban

  • Bottlenecks sind immer sichtbar und können somit schnell erkannt und bei der Planung berücksichtigt werden.
  • Wenige Regeln und Beschränkungen erlauben eine schnelle Einführung und hohe Flexibilität.
  • Es kann in nahezu allen Projekten, Prozessen und Abteilungen eingesetzt werden.

 

Was ist Scrum?

Scrum zeichnet sich insbesondere durch cross-funktionale Teams, maximal 4 wöchentliche Entwicklungszyklen und eine iterative, schrittweise Arbeitsweise aus. Scrum ist ein empirisches agiles Framework, welches in den frühen 90er Jahren für komplexe Softwareprojekte entwickelt wurde.

  • Empirisch: Scrum setzt auf kontinuierliches Lernen. Die Annahme: „Wenn wir heute zu wenig wissen, müssen wir loslegen, ausprobieren und unsere eingeschlagene Route korrigieren, um an unser Ziel zu gelangen!“ Eine hohe Transparenz der Arbeit, regelmäßiges Überprüfen der Ergebnisse und anschließende Anpassungen bilden die Eckpfeiler für diesen empirischen Prozess. 
  • Framework: Scrum bietet einen Rahmen mit expliziten Regeln, Meetings und definierten Rollen. Darüber hinaus bietet es jedoch genug Spielraum für Anpassungen. 
  • Es ist besonders für komplexe Produktentwicklungen geeignet, da sich diese unter anderem durch die Unvorhersehbarkeit der Ergebnisse, einem hohen Maß an Unplanbarkeit, unbekannten Risiken und vielen Abhängigkeiten zu Dritten auszeichnen. All diese Faktoren adressiert das Scrum Framework, um möglichst ohne Umwege, qualitativ hochwertige Ergebnisse zu liefern. 

Die fünf Wesensmerkmale von Scrum

  1. Scrum basiert auf 5 Werten, welchen sich jedes Scrum Team verschreibt: Mut, Fokus, Einsatz  für Teamziele, Respekt und Offenheit.
  2. Zur Steuerung und Organisation der Arbeit beschreibt Scrum drei Artefakte: Das Product Backlog, das Sprint Backlog sowie das Produktinkrement.
  3. Scrum Teams sind cross-funktional und bilden alle notwendigen Rollen und Fähigkeiten ab, die für die Entwicklung des jeweiligen Produktes notwendig sind.
  4. Scrum Teams arbeiten selbstorganisiert in zeitlich begrenzten „Sprints“ die mindestens eine, maximal vier Wochen lang sind. Nach jedem Sprint liefert das Team einen „funktionalen Mehrwert“ für den Kunden aus.
  5. Jeder Sprint endet mit einer Inspektion des „Inkrements“ und schließt mit dem Feedback des Users bzw. Kunden ab, welches in den nächsten Sprint einfließt. 

 

Rollen im Scrum-Team 

Ein Scrum Team besteht aus drei Rollen:

  1. Der Product Owner (PO) wird auch „Wertmaximierer“ genannt. Kernaufgaben sind die Entwicklung der Produktvision (das „Warum?“) , die Verantwortung für das Produkt-Backlog (das „Was“) sowie das Setzen der Prioritäten und nächsten Entwicklungsschritte. 
  2. Das Entwicklungsteam (auch „Dev-Team“) ist cross-funktional und arbeitet selbstorganisiert, um die Sprintziele (das „Wie“) zu erreichen. Das Dev Team kennt weder Hierarchien noch Spezialisten: Was zählt ist der Erfolg des Teams und nicht die Leistungen der individuellen Teammitglieder. 
  3. Der Scrum Master trägt die Verantwortung für die erfolgreiche Umsetzung des Scrum-Prozesses und unterstützt das Team, um produktiv zu bleiben. Dazu gehören das Lösen von organisatorischen Herausforderungen, die Moderation von Konflikten, aber auch regelmäßige Coachings von Teammitgliedern und Stakeholdern zum Scrum-Prozess. Die Rolle des Scrum Masters ist vielschichtig und erfordert Fähigkeiten eines Coaches, Trainers und manchmal auch Lehrers. 

 

Scrum Events

Jeder Sprint umspannt die folgenden vier Events:

  1. Sprintplanung:  Ziel dieses Events ist die Festlegung eines Sprintziels sowie eine Prognose über den Weg dorthin, basierend auf bisherigen Erfahrungen und neu gewonnenen Erkenntnissen. Der Product Owner gibt ein Ziel für den Sprint vor, das Dev Team entscheidet wie viel es in diesem Sprint leisten kann und bricht anschließend die Aufgabenpakete in kleine Aufgaben herunter. Am Ende des Events steht ein gefülltes und klar beschriebenes Sprint-Backlog.
  2. Daily Scrum: Jeden Tag trifft sich das Dev Team für 15 Minuten, um den derzeitigen Verlauf des Sprint-Ziels und den Plan für den nächsten Tag zu besprechen. Darüber hinaus werden Hindernisse identifiziert, die das Team an der Erreichung des Ziels hindern. Diese werden im Anschluss vom Scrum Master aufgenommen.
  3. Sprint Review: Im Review wird das Sprint-Ergebnis, das so genannte Inkrement, inspiziert. Entscheidend ist hier das konstruktive Feedback der Anwender und Stakeholder. Die hier gewonnenen Erkenntnisse fließen in den Backlog mit ein und sorgen somit für eine konstant hohe Nutzerorientierung.
  4. Retrospektive: Hier inspiziert das Dev-Team den Prozess und das Team während des vergangenen Sprints. Ein Scrum Master moderiert dieses Event in der Regel und ist entscheidend für die Entwicklung eines starken, selbstorganisierten Entwicklungsteams. Während jeder Retrospektive werden konkrete Handlungen erarbeitet, die im folgenden Sprint erledigt werden. 

Scrum vs. Kanban

Wo kann Scrum eingesetzt werden?

Überall dort, wo komplexe Produkte entstehen und komplexe Probleme bestehen, kann Scrum eine große Unterstützung für mehr Produktivität und Effizienz sein. So kommt das Framework heute in den unterschiedlichsten Bereichen zum Einsatz: sehr häufig in der Softwareentwicklung, aber auch in der Forschung & Entwicklung, und in Marketingabteilungen von Konzernen und Behörden. 

Scrum setzt auf cross-funktionale Teams: Das bedeutet eine „end-to-end“ Verantwortung für ein Produkt/Projekt und minimalen Abhängigkeiten. Ein erfolgreiches Scrum Team sollte sich darüber hinaus ausschließlich auf die Aufgaben des Sprints konzentrieren können und nicht für andere Aufgaben „abgerufen“ werden. Dies gefährdet sonst die Erreichung der Sprintziele und macht eine planbare, stabile Teamleistung zunichte.

Fazit Scrum vs Kanban: Ihre Wertschöpfung und die Reife des „agilen Mindsets“ entscheidet über den Ausgang

  • Nicht für jedes Problem eignet sich jede agile Methode. Klären Sie die Zielsetzung, bevor Sie starten.
  • Erste gute Erfolgserlebnisse können bereits mit der Einführung von Kanban gelingen.
  • Starten Sie damit, Aufgaben transparent zu machen, regelmäßig Teilergebnisse zu inspizieren und anzupassen.
  • Scrum ist leicht verständlich, aber nicht ohne in der Anwendung: Holen Sie sich Experten, die Sie beraten und kritische Rollen wie Product Owner und Scrum Master in Ihrem Unternehmen entwickeln. 

 

Daniel Lutz

Als agile Coach, Trainer und Organisationsentwickler unterstützt Daniel Unternehmen bei ihrem Weg zu mehr Agilität. Gemeinsam mit Mitarbeitern, Führungskräften und agilen Teams entwickelt er Wege zu mehr Selbstorganisation, einer agilen Führung und dem Einsatz von Scrum, Scaled Scrum und Kanban. Als ausgebildeter systemischer Coach unterstützt er empathisch Mitarbeiter und Führungskräfte bei der aktiven Rollengestaltung und zu mehr Zufriedenheit im Job.



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