So funktionieren Retrospektiven

Retrospektiven sind aus unserer Sicht der wichtigste Baustein einer agilen Arbeitsweise. Egal ob die Teams dabei mit OKR, Scrum oder einem anderen agilen Framework arbeiten. Ziel der Retrospektive ist es, das Team durch ritualisiertes Feedback auf dem richtigen Kurs zu halten.

„Anfangen, testen, anpassen“. In etwa so kann man die agile Arbeitsweise vereinfacht beschreiben. Es geht um die enge Zusammenarbeit von Menschen in Teams, regelmäßiges Feedback, dem effizienten Erreichen eines gemeinsamen Ziels bei regelmäßiger Auslieferung von Ergebnissen. Ein wesentliches Merkmal liegt dabei auf der regelmäßigen Überprüfung des Fortschritts – des Arbeitsergebnisses, aber natürlich auch der Zusammenarbeit im Team. Die agilen Frameworks Scrum und OKR bieten dafür mit der Retrospektive eine fest eingeplante Routine. Warum das so ist und wie Sie gleich morgen selbst damit anfangen können, erfahren Sie jetzt.

Der regelmäßige Blick in den Rückspiegel

In vielen Projektteams gibt es zum Abschluss eines Projektes die sogenannte „Manöverkritik“ – wenn es gut läuft. Diese findet allerdings häufig erst recht spät im Prozess statt, oft erst dann wenn es „kein Zurück“ mehr gibt. Die Konsequenz: Mängel am Prozess und der Zusammenarbeit werden „mitgeschleift“ und bauschen sich im schlimmsten Fall auf.  Meinungsverschiedenheiten werden ausgesessen und Optimierungspotenziale dabei liegen gelassen.

Die Prinzipien des agilen Arbeitens  setzen auf die enge Zusammenarbeit von interdisziplinären Teams. Diese kollaborative Form des Arbeitens setzt viel Kommunikation, Austausch, Abstimmungen und Feedback voraus. Dadurch lassen sich schneller Verbesserungspotenziale erkennen und Fehler minimieren. Damit Fortschritte und Ergebnisse auch „gefühlt“ greifbarer werden, lohnt es sich große Projekte in kurzen Iterationen (Sprints) zu erarbeiten. Diese Teilergebnisse können einfacher überschaut, überprüft und das weitere Vorgehen besser geplant werden.

Unser Tipp: Teilen Sie ihre Projektarbeit in kurze, regelmäßige Zyklen (Iterationen) von 1-4 Wochen ein. Dieser Zeitraum wird dann in jeder Retrospektive besprochen, um für den nächsten Zyklus zu lernen.

Positives stärken und aus Erfahrungen lernen

Eine konstruktive, offene Kommunikationskultur ist das A und O für jedes funktionierende Team. Insbesondere im agilen Umfeld  arbeiten Teams und Businessentscheider intensiv miteinander zusammen, es gibt einen hohen Kommunikationsbedarf und das Risiko von Konflikten kann steigen. Aus diesem Grund sollten Retrospektiven immer von einer im Vorfeld benannten Person aus dem Team moderiert werden. Der/die Moderator/in lädt am besten zur Retrospektive ein, stellt eine offene, konstruktive Feedbackkultur sicher, behält die Uhr im Auge und sorgt dafür, dass jeder Mitarbeiter zu Wort kommt. Für die nötigen Anpassungen sorgt das Team, indem in der Retrospektive konkreten Handlungsempfehlungen für den nächsten Sprint definiert werden.

Retrospektiven verfolgen immer das Ziel, den Prozess und die Zusammenarbeit zu optimieren. Dabei werden ritualisiert die folgenden drei Fragen beantwortet:

  1. Was lief gut? Hier liegt der Fokus darauf, Positives anzuerkennen, Lob zu verteilen und sich auf die positiven Erfolge zu konzentrieren.
  2.  Was sollten wir anders machen? Hier ist ein offenes und konstruktives Feedback gefragt: Wo schwächeln wir? Was lief gar nicht gut, was sollten wir unbedingt anders machen?
  3.  Mit welchen Verbesserungen fangen wir an? Nach jeder Retrospektive gibt es mindestens eine konkrete Maßnahme zur Verbesserung. Sie sollte klein genug sein, so dass sie bis zur nächsten Retrospektive erledigt werden kann, aber natürlich auch für ausreichend Verbesserung sorgen.

 

Die Dauer einer Retrospektive hängt von der Teamgröße und Länge der jeweiligen Iteration ab. Bei einer Teamgröße von maximal 9 Personen und einer Iteration von zwei Wochen empfehlen wir eine Retrospektive von 1.5-2 Stunden. Dieser Zeitraum bietet ausreichend Raum für Diskussionen und Klärung offener To-Dos.

Unser Tipp: Machen Sie Retrospektiven zu einem Routinetermin. So haben Sie die Gelegenheit regelmäßig die „Temperatur“ und Stimmung im Team zu überprüfen!

Retrospektive remote oder live?

Retrospektiven finden regelmäßig statt, diese Varianten funktionieren live und remote. Damit sie lebendig und interaktiv bleiben, empfehlen wir die Formate immer mal wieder leicht zu verändern. Der Rahmen ist durch die drei einfache Fragen gesteckt, die aber mit unterschiedlichen Modellen beleuchtet werden können. Nicht ohne Grund gibt es zahlreiche Blogs, Bücher und Tools für gute, abwechslungsreiche Retrospektiven.

Diese sind natürlich auch aus dem Homeoffice problemlos möglich und bei vielen „Remote-Teams“ ohnehin an der Tagesordnung. Folgende von uns erprobte und kostenlose Tools bringen das Whiteboard in jeden digitalen Raum:

  • EasyRetro: Es können kostenlose sogenannte Boards angelegt werden. Einfach den Link kopieren und mit den Teilnehmern teilen. Eine Bibliothek zahlreicher Formate ermöglicht viel Abwechslung. 
  • MetroRetro: Ein tolles, visuelles Tool mit einer Vielzahl von Retrospektiven-Formaten – für Anfänger und Profis:
  • Mural: Ein virtuelles Whiteboard mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten für virtuelle Workshops, Retros und Brainstormings. 

Die Dramaturgie einer Retrospektive

Im Folgenden stellen wir Ihnen drei Retrospektiven-Klassiker vor, mit denen Sie direkt loslegen können. Alle Formate funktionieren digital als auch im physischen Raum. Für die Umsetzung im physischen Raum benötigen Sie:

  •         Whiteboard Marker
  •         Ausreichend Post-its
  •         ein Whiteboard (empfohlen), Metaplanwand oder FlipCharts
  •         Optional: Farbige Klebepunkte fürs Voting

 

Die Abfolge ist bei allen drei Formaten ebenfalls gleich:

  1. Eröffnung: Der/die Moderator/in „eröffnet die Bühne“ und bestärkt das Team sich gegenseitig Feedback zu geben. Bei der Retrospektive geht es ganz und allein um das Team. Dinge die stören, aber nicht vom Team verändert oder beeinflusst werden können, gehören nicht in die Retrospektive.
  2.  Jede Meinung zählt: Damit wirklich jedes Teammitglied zur Sprache kommt und jede Meinung Gehör findet, brainstormt zunächst jeder Mitarbeiter für sich Ideen, Themen und Vorschläge und schreibt diese auf Post-its. Wichtig: Jedes Thema bekommt ein eigenes Post-it.
  3.  Schritt für Schritt: Jedes Teammitglied trägt seine Beiträge der Reihe nach vor, so dass jeder versteht was gemeint ist. Spalte für Spalte, nicht „in einem Rutsch“.
  4.  Gruppierung & Zwischenfeedback: Ähnliche Post-its sollten in Themen-Cluster zusammengefasst werden, um Schwerpunktthemen und Muster erkennen zu können.
  5.  To-Dos: Gemeinsam werden nun To-Dos diskutiert, die in der nächsten Iteration umgesetzt werden.

 

Drei Retrospektive-Klassiker zum Ausprobieren

START-STOP-CONTINUE

Das einfachste Retrospektiven-Format – perfekt für den Start!

  •         START: Neue Ideen und Verbesserungsvorschläg, die ich gerne einführen möchte.
  •         STOP: Dinge die mich gestört haben, nicht effektiv waren und in Zukunft verworfen werden sollten.
  •         CONTINUE: Dinge die gut liefen und die wir unbedingt beibehalten und stärken sollten.
  •         ACTIONS: Hier werden die im Plenum diskutierten Handlungen festgehalten

 

4Ls: LIKED-LEARNED-LACKED-LONGED FOR

Eine Variation der Start-Stop-Continue Retrospektive, mit einer etwas differenzierten Darstellung der Verbesserungspotenziale. Der Ablauf ist identisch.

  •         LIKED: Dinge, die ich gut fand und die beibehalten werden sollten.
  •         LEARNED: Dinge, die ich gelernt habe.
  •         LACKED: Dinge, die hätten besser laufen können.
  •         LONGED FOR: Dinge, die ich vermisst habe. Dinge, die mir geholfen hätten.

DIE SEGELBOOT RETROSPEKTIVE

Die Segelboot-Retrospektive spielt mit der Metapher eines Segeltörns, hierb

ei geht es neben den  klassischenAspekten vor Allem um die Beleuchtung der Zielsetzung. Die metaphorische Herangehensweise eröffnet verschiedene Blickwinkel und fördert eine offene Diskussion.

  •         DAS ZIEL: Das ist das Ziel, was ich glaubte, was erreicht werden sollte.
  •         HINDERNISSE: Herausforderungen, die wir als Team gemeistert haben.
  •         UNSER ANKER: Dinge, die uns zurückgehalten, blockiert, Energie und Zeit gekostet haben.
  •         RÜCKENWIND: Das hat uns geholfen, Fahrt aufzunehmen und auf Kurs zu bleiben.

5 Tipps für garantiert gute Retrospektiven

  1. Planen Sie ihre Projekte in festen, regelmäßigen Rhythmen (Iterationen). Diese lassen sich einfacher überblicken und planen.
  2. Planen Sie die Retrospektiven als Regeltermin: Je nach Teamgröße und Länge der Iteration 1.5-2 Stunden alle zwei Wochen.
  3. Benennen Sie einen Moderator für jede Retrospektive. Die Rolle darf auch gerne innerhalb des Teams rotieren.
  4. Spielen Sie mit den Formaten, um dieses wichtige Meeting spannend und interessant zu halten.
  5. Keine Retrospektive ohne konkreten Verbesserungsvorschlag: Benennen Sie mindestens einen Verantwortlichen für die Verbesserung der kommende Iteration.

 Viel Spaß und Erfolg beim gemeinsamen Besser Werden!

 

 

Daniel Lutz

Als agile Coach, Trainer und Organisationsentwickler unterstützt Daniel Unternehmen bei ihrem Weg zu mehr Agilität. Gemeinsam mit Mitarbeitern, Führungskräften und agilen Teams entwickelt er Wege zu mehr Selbstorganisation, einer agilen Führung und dem Einsatz von Scrum, Scaled Scrum und Kanban. Als ausgebildeter systemischer Coach unterstützt er empathisch Mitarbeiter und Führungskräfte bei der aktiven Rollengestaltung und zu mehr Zufriedenheit im Job.



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